Das Ziel ist im Weg by Ina Schmidt

Das Ziel ist im Weg by Ina Schmidt

Autor:Ina Schmidt [Schmidt, Ina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2017-03-12T16:00:00+00:00


Das leise Glück der kleinen Dinge: Wieso wir nach dem Guten streben sollten

Wenn es uns also gelingt, das Leben am Guten auszurichten, wenn wir lernen, gelassener zu sein und ein angemessenes Verhältnis zu dem zu finden, was in unserer Macht steht – wenn wir all diese idealtypischen Voraussetzungen tatsächlich in uns vereinen sollten –, was geschieht dann? Sind wir dann automatisch glücklich? Nein, denn wir könnten es ebenso weiterhin mit dem Philosophen Arthur Schopenhauer halten, der sicher war, dass in diesem Glauben einer der größten menschlichen Irrtümer liege: »Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größeren und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, dass es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu seyn.«40

Also, ist das Gute vielleicht ein anzustrebendes Ideal, das Glück aber reiner Mythos? Vielleicht, aber irgendwie scheint es doch einen Unterschied zu geben. Denn wir alle machen irgendwann doch die Erfahrung, dass es möglich ist, glücklich zu sein. Für einen kleinen Moment, einen Nachmittag oder einen Urlaub am Mittelmeer. Ist ein gutes Leben also wenigstens eines, das glücklich machen kann? Auch Sokrates blieb angesichts der Frage, ob man das Gute lehren beziehungsweise lernen könne, wieder einmal ratlos. Auf die Frage des jungen Menon antwortet er: »Mir selbst nun geht es ganz genauso: Ich leide mit meinen Mitbürgern in dieser Sache auch unter diesem Mangel und mache mir Vorwürfe, überhaupt nichts über das Gutsein zu wissen. Was ich nicht kenne und wovon ich nicht weiß, was es ist, wie könnte ich davon wissen, wie es beschaffen ist? Oder glaubst du, jemand kann wissen, ob Menon schön oder reich oder möglicherweise auch adlig oder von allem das Gegenteil ist, wenn er ihn gar nicht kennt und überhaupt nicht weiß, wer er ist? Meinst du, das sei möglich?« Menon verneint diese Frage, will aber nicht glauben, dass Sokrates so wenig vom Gutsein wissen will. Was solle er denn zu Hause erzählen? Darauf entgegnet der weise Sokrates: »Erzähle nicht nur das, sondern auch, dass ich, wie mir scheint, keinen anderen getroffen habe, der es wusste.«41

Und trotz aller Ratlosigkeit bleibt es dabei – selbst, wenn wir nicht genau wissen können, was das Gute ist beziehungsweise als was es sich zeigt, so erleben wir es doch als etwas, das uns guttut und das etwas mit dem Glück zu tun hat. Schopenhauer mag recht haben, dass wir dieses Erleben nicht zwingend erwarten können, dass es also möglicherweise ein lebenslanges Streben bleibt, und doch muss es etwas geben, worüber wir denken, sprechen, woran wir ebendieses Streben ausrichten können. Allerdings wandelt sich offenbar aber genau das – die Richtung, der Maßstab und damit die Vorstellung davon, wie das Gute und das Glück sich verbinden lassen – nicht zuletzt auch mit dem Wandel der Traditionen und Lebensmodelle. Insbesondere die Überzeugung, dass ich selbst einen enormen Einfluss auf das eigene Glücklichsein habe, hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr durchgesetzt.



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